Autorin: Doris Lessing
Buchbeschreibung – kurz & knapp zusammengefasst
„Das fünfte Kind“ von Doris Lessing ist ein bewegender Roman über Mutterliebe und Familienglück. Nur eines von beiden ist möglich.
Bei David und Harriet ist es Liebe auf den ersten Blick. Harriet ist etwas bieder und findet, dass die moderne Frau, die sich gerade gesellschaftlich etabliert, nichts für sie sei. David ist ein Scheidungskind und will nur eines: Eine Frau finden mit dem er sein Heim gründen kann. In Harriet hat er sie gefunden. Zusammen ziehen sie in ein sehr großes viktorianisches Haus, drei Stock hoch, mit Dachboden und verwuchertem Garten. Hier sollen ihre vier oder fünf oder sechs Kinder glücklich aufwachsen.
Und tatsächlich, schneller als geplant, verwirklichen sie ihren Traum mit Hilfe von Harriets Mutter, die den Haushalt schmeißt und Davids Vater, der die nötige finanzielle Mittel zur Verfügung stellt.
Die 4 Kinder, die Harriet zur Welt bringt, sind alle gesund und lieb. Das Leben in dem Haus ist so fröhlich und glücklich, dass viele Verwandten Jahr für Jahr ihre Sommer- und Weihnachtsferien dort verbringen. So kommen Harriets Schwestern mit Familien, Davids Eltern mit jeweils neuen Partnern und seine Schwester und verbringen sorglos die schönste Zeit des Jahres. Wäre nicht Davids Vater, der großzügig finanzielle unter die Arme greift, würde das nicht zu schaffen sein.
Da wird Harriet wieder schwanger, mit ihrem fünften Kind, aber irgendetwas stimmt nicht. Das Kind in ihrem Bauch ist anders. Schon nach ein paar Wochen spürt sie die heftigen Tritte, die Tortur wird Harriet an ihre physischen Grenzen bringen. Innerlich kaputt, bringt sie Ben im 8. Schwangerschaftsmonat zur Welt.
Aber was kommt da aus ihrem Bauch – ein Troll, ein Gnom, ein enorm großes, körperlich verformtes, starkes Kind.
Rücksichtslos und brutal saugt es an ihrer Brust, schlägt und tritt um sich und lässt keine Liebkosung oder zärtliche Berührung zu. Die Entwicklung des Jungen ist unaufhaltsam – er brüllt, schreit, tritt, hat unheimliche Kraft und terrorisiert die gesamte Familie. So zerbricht das große Familienglück Stück für Stück. Kurz vor der totalen Erschöpfung willigt Harriet ein, Ben in eine Anstalt zu bringen. Es muss sein, die anderen 4 Kinder sollen geschützt aufwachsen. Doch Harriet holt Ben zurück und zerstört damit die Familie und das Glück ihrer Kinder, ihres Mannes und ihr eigenes.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Das Buch „Das fünfte Kind“ konzentriert sich stark auf die Mutterfigur von Harriet. Alles andere kreist um sie, hängt mir ihr zusammen und ist von ihr beeinflusst. Harriet und David verwirklichen ihren Lebenstraum, wenn auch mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Eltern. Unempfänglich jeglicher Kritik gegenüber gebärt Harriet in kurzer Zeit 4 gesunde Kinder. Und damit nicht genug, es sollen noch mehr kommen.
Dann wird sie wieder schwanger, diesmal aber auch für sie zu früh und sie merkt, dass etwas nicht stimmt. Doch sie bekommt kein Gehör, zu oft hat sie getan, was sie wollte. Als dann das Geschöpf auf der Welt ist und jeder sehen kann, dass da etwas genetisch nicht stimmt, wird sie allein dafür verantwortlich gemacht. Dass sie auch 4 gesunde Kinder hat, wird verdrängt. Sie wird in die Rolle einer Kriminellen gedrängt, aus der sie nicht mehr rauskommt. Ihr Mann, ihre Mutter und selbst ihre Kinder wenden sich von ihr ab.
Hier komme ich schon an einen persönlichen Knackpunkt, was hätte ich getan?
Dann geht es mit Ben nicht mehr, er wird gefährlich und die Familie will ihn weghaben. Sie weigert sich lange, stimmt letztlich in einem schwachen Moment zu. Ab jetzt beginnt für sie eine psychische Tortur. Sie merkt, dass die Familie ohne Ben glücklich ist, dass das alte Leben wieder zurückkehrt. Doch sie kann nicht anders, sie muss Ben zurückholen. Dort wo er war, hätten sie ihn umgebracht. Und so entscheidet sie sich für Bens Leben und gegen das Glück der anderen Familienmitglieder.
Da hätte ich wahrscheinlich anders gehandelt. Sie empfindet ja selbst keine Liebe für dieses Geschöpf. Sie hätte nach einer anderen Lösung suchen müssen. Sie hätte nicht das Glück von 4 Kindern so leichtfertig zerstören dürfen. Sie ist Mutter von fünf Kindern und nicht nur von einem.
Doris Lessing ist eine Vertreterin der anglikanischen Literatur. Ähnlich wie in John Williams Roman Stoner ist auch hier die Erzählung auf eine Person konzentriert. Die Romane Stoner und „Das fünfte Kind“ ähneln sich auch in der verwendeten Sprache. Sie trifft sicherlich nicht ganz den modernen Geschmack und ist auch nicht zeitgemäß doch liest sich der Text zügig und fließend. Der Roman ist gut strukturiert und mit einem klaren zeitlichen Ablauf.
Fazit
„Das fünfte Kind“ von Doris Lessing ist ein bewegender Roman über Mutterliebe und Familienglück. Er erzählt eine bedrückende Geschichte einer britischen Familie, die durch die Geburt des fünften Kindes aus dem Gleichgewicht gerät und daran zerbricht. Sprachlich typisch anglikanisch, besticht der Roman durch eine gute psychologische Betrachtung der Mutterfigur. Der Roman zeichnet ein Frauenbild, in dem die Mutter, gegen jede Vernunft, das Familienglück für das Leben des abartigen Kindes aufs Spiel setzt.

Hätte ich ihn sterben lassen, so wären wir alle, so viele Menschen glücklich geworden, aber ich habe es einfach nicht fertiggebracht, und deshalb…
Die Autorin
Doris Lessing wurde 1919 als Doris May Taylor in iranischen Kermanshah geboren. Ihr Vater, ein kriegsversehrter britischer Offizier, zog später mit der Familie ins damals britische Südrhodesien, das heutige Simbabwe. Die Erfahrungen in Afrika prägten ihr Werk entscheidend. Nach ihrer massiven Kritik an der Rassentrennung durfte sie jahrzehntelang nicht nach Simbabwe und Südafrika reisen.
Die Autorin hat sich Zeit ihres Lebens politisch und gesellschaftlich engagiert und wollte sich nie vom Feminismus vereinnahmen lassen. Sie blieb immer Individualistin. Die beschwerliche Beziehung zwischen Mann und Frau ist allerdings ein Grundthema ihrer Bücher.
2007 erhielt sie den Literaturnobelpreis. Die Entscheidung der Schwedischen Akademie rief Kritik hervor.
Ihr Hauptwerk ist der Emanzipations-Klassiker „Das goldene Notizbuch“. Zu den bekanntesten Werken Lessings zählen unter anderem „Afrikanische Tragödie“, „Das goldene Notizbuch“, „Unter der Haut“, „Schritte im Schatten“ und „Die Kluft“. Lessing gilt neben Virginia Woolf als eine der wichtigsten weiblichen Persönlichkeiten der britischen Literatur.
Lesen Sie dazu auch den Artikel, erschienen im Spiegel am 17. November 2013.
Bibliographische Daten (Stand April 2021)
- TITEL: Das fünfte Kind
- AUTORIN: Doris Lessing
- GENRE: Roman
- ÜBERSETZUNG: Eva Schönfeld
- VERLAG: Hoffmann und Campe – vergriffen
- Erscheinungsjahr: 1988
- ISBN-13: n/a
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