Autor: Przemek Zybowski
Buchbesprechung kurz & knapp zusammengefasst
Das pinke Hochzeitsbuch ist keine Biografie und doch hat der Roman autobiografische Züge.
Als seine Großmutter stirbt, kommt ihr Enkelsohn aus Deutschland zurück an den Ort seiner Kindheit und wird von seiner verloren geglaubten Vergangenheit eingeholt: 1984, kurz nach Lockerung des Kriegsrechts in Polen, fliehen die Eltern mit seiner kleinen Schwester heimlich nach Deutschland. Ihr achtjähriger Sohn verbringt, währenddessen seine Sommerferien mit Gleichaltrigen an der Ostsee und als er zurückkommt, wartet nicht der Vater, sondern seine Großmutter, die Babcia auf ihn. Der Schock sitzt tief und verstört zuerst. Doch dann beginnt eine Zeit unerhörter Freiheit und zugleich großer Panik. Die Eltern wollen ihn so bald wie möglich nachholen. Doch bevor das möglich wird, verhört ihn die Geheimpolizei Ubowca, droht ihm das Waisenhaus als seine Babcia ins Krankenhaus muss und erst ein Jahr nach der Flucht der Eltern bekommt er die notwendigen Ausreisepapiere.
„Warst du denn immer brav zu deiner vorbildlichen Großmutter? Und dankbar, dass dich eine wahre Patriotin erzogen hat?“
Wird es Versöhnung mit seinen Eltern geben können?
Meine persönlichen Leseeindrücke
Man kann Geschichte auf viele Arten lehren und lernen. Eine der schönsten bietet die Literatur und dieser Debütroman „Das pinke Hochzeitsbuch“ ist ein literarischer Geschichtsunterricht über Polen während des 2. Weltkrieges und danach.
Es ist ein anspruchsvolles Buch, das Konzentration beim Lesen verlangt. Przemek Zybowski pendelt stets zwischen seiner Kindheit und der Gegenwart und in welcher Erzählebene man gerade liest, deutet er manchmal mit nur sehr filigranen Einleitungen an. Es ist auch ab und an etwas eckig, ein flüssiges Lesen erschwert dies und doch ist es gerade das, was den Reiz dieses nicht alltäglichen Romans ausmacht. Seine Kindheit und die Erinnerungen sind ja auch nur ansatzweise vorhanden, Zusammenhänge kann auch er erst spät erkennen. Es ist vielmehr zwischen den Zeilen zu suchen, was der Junge empfunden haben muss, als seine Eltern plötzlich ohne ihn das Land verlassen haben.
„Ich wette, das können sie dir selbst nicht beantworten. Es kann nämlich keinen guten Grund geben, ohne seinen Sohn auszureisen. Und wenn sie etwas anderes sagen, dann lügen sie.“
Das ganze Buch hindurch wartet der Junge, der inzwischen Arzt geworden ist, nur auf eines: auf die Wahrheit der Eltern, warum sie ihn zurückgelassen haben. Und er ist nicht nur wegen des Begräbnisses der Babcia nach Polen zurückgekehrt, sondern auch um die ruhelose Suche dieses Jungen am richtigen Ort zu beenden. Vielleicht kann er mit den Eltern noch einmal von vorne anfangen. Diese Geschichte erzählt Zybowsk mit seiner lyrischen Sprache, die mich mehr als einmal fasziniert und einfängt.
Er richtete den unschuldigsten Blick ins Nirgendwo, ganz scharf vorbei an den zu Säulen erstarrten Wojtek und Pawel, und ließ zu dem Zeitpunkt völlig unerwartet, ganz gezielt, fabelhaft vorsichtig mitten in die immer noch brodeln-angespannte Kesselstille hinein, der feinen Hand eines Zauberers gleich, wie von Geisterhand geführt, als würde er einen Marienkäfer auf seinem in die Luft gehaltenen Zeigefinger landen lasse, so behutsam ließ er zunächst nur eine einzige Träne aus seinem linken Augenwinkel kullern, do dass sie sie alle aufblitzen sehen konnten: die Diamantenmurmel, wie sie aufkeimte, eine wundervolle Umdrehung nach der anderen, mitten auf seiner linken Wange, wie ein göttlich erleuchtendes Muttermal.
Fazit
Das pinke Hochzeitsbuch ist kein einfaches Buch, wahrscheinlich wird es kein Verkaufsschlager und keine großen Preise sammeln, aber wer sich ihm zuwendet und den Jungen auf seiner Reise in die Vergangenheit begleitet, wird wunderbar entlohnt.
„Przemek Zybowski betritt seine Erinnerung wie ein fremdes Land. Behutsam, fast ungläubig streift er durch die Orte seiner Kindheit und findet so die Worte für eine Geschichte, für die es eigentlich keine Worte gibt. Ein bewegendes, wichtiges, kluges Buch über Einsamkeit, Familie und die Kraft der Sprache. Wer seine Vergangenheit so erzählen kann, hat sie gemeistert.« Benedict Wells

Kein pinker Buchrücken leuchtete ihn an. Das Buch mit dem Hochzeitspaar auf der Vorderseite und den gezeichneten Sexualstellungen im Inneren, ein Hochzeitsgeschenk der Volksrepublik Polen.
Der Autor
Przemek Zybowski, 1976 in Łódź, Polen, geboren, reiste 1985 nach Deutschland aus. Er arbeitet heute als Psychiater in Zürich. Darüber hinaus war er als Regieassistent an verschiedenen Theatern (u.a. Berliner Ensemble, Schauspielhaus Hamburg), verfasst Theaterstücke, die an mehreren Bühnen in Deutschland aufgeführt wurden, und gewann den österreichischen Literaturpreis Floriana. Quelle: Luchterhand-Literaturverlag
Bibliographische Daten (Stand Dezember 2022 – Luchterhand)
- TITEL: Das pinke Hochzeitsbuch
- AUTOR: Przemek Zybowski
- GENRE: Roman
- VERLAG: Luchterhand Literaturverlag München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
- UMFANG: 224 Seiten
- ERSCHEINUNGSDATUM: 14. September 2022
- ISBN-13: 978 3 6308 7688 7
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