Autorin: Pearl S. Buck
Aus dem Amerikanischen von Justinian Frisch
Buchbeschreibung kurz & knapp zusammengefasst
Der Roman „Die Frauen des Hauses Wu“ beginnt mit dem 40. Geburtstag von Madame Wu. Sie nutzt diesen Anlass um ihrem Mann und ihrer Familie mitzuteilen, dass sie sich aus ihrem ehelichen Leben zurückzieht und den Rest ihres Lebens damit zubringen möchten, Ihren Geist und ihre Seele zu sammeln.
Seinen zarten Körper unzarten Händen auszuliefern, zu sehen, wie die Wollust sich erhitzt, und zu spüren, wie das eigene Fleisch kalt wird – zu fühlen, wie das Herz ermattet und die Seele sich ekelt, und dennoch, um des häuslichen Friedens willen, dazu gezwungen zu sein.
Damit stößt sie nicht zur ihren Mann vor den Kopf, sondern wird auch mit dem Unverständnis der Söhne und des Hauspersonals konfrontiert. Selbst die alten chinesischen Traditionen, denen sie sich stets untergeordnet hat, können an ihrem Entschluss nichts ändern.
Sie fühlt sich erlöst und ruhig. Sie fühlte ihr ganzes Wesen wiederhergestellt, fühlte sich fast wieder so wie sie als Mädchen gewesen war. Jetzt will sie für den Rest ihres Lebens ihr selbst gehören. Sie hat ihren Körper immer wieder geteilt, jetzt soll er sich nehmen, was übrigbleibt, um wieder ganz zu werden damit das Leben für sie selbst gut wird, nicht nur im Geben sondern auch im Nehmen. Sie will den Rest ihres Lebens damit zubringen, ihren Geist und ihre Seele zu sammeln. Sie will ihren Körper sorgsam pflegen, nicht dass er noch einem Manne gefalle, sondern weil er sie beherbergt und sie daher von ihm abhängig ist.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Mit ihrem epochalen Roman „Die Frauen des Hauses Wu“ greift Pearl S. Buck, die selbst viele Jahre in China gelebt hat, das große Thema der Stellung der Frau abseits der chinesischen Metropolen auf. Ihr Roman gibt einen Einblick in die ländliche Tradition der 1930ger Jahre und in das Konstrukt eines Familienlebens, das dem westlichen so fremd ist und gleichzeitig eine so große Faszination ausübt.
Ich verfalle sofort der sanften Erzählsprache, in der doch so viel Kraft liegt, und ich mag die Handlungen, die ich einfach stehen lasse um sie nicht mit meinen modernen Anschauungen zu konfrontieren. Das macht ja auch gar keinen Sinn. Ich genieße einfach diesen Roman, der mir einen intimen Einblick in eine mir vollkommen fremden Kultur gibt, und der in einer Zeit spielt, die weit vor meiner Geburt liegt.
Madame Wu ist keine gewöhnliche Frau. Bereits ihr Schwiegervater attestiert ihr einen vorzüglichen Verstand, erkennt die Größe, die, wäre sie ein Mann, sich den kaiserlichen Prüfungen unterziehen und diese mit Ehre bestanden hätte und Beamter des Reiches hätte werden können. Doch ihr Gehirn sitzt im Schädel einer Frau und ist dadurch begrenzt.
„Bei einer Frau ist es nicht gut, wenn das Gehirn über den Leib hinauswächst.“
Die von den Eltern bestimmte Ehe hat sie mit Herrn Wu zusammengebracht, den sie aber nie geliebt hat. Ihre Pflicht gegen die Familie erfüllend, war Madame Wu eine gute Ehefrau und Mutter. Herr Wu, einziger Sohn einer hochangesehenen reichen Familie, ist hübsch und gutmütig, bereitwillig und kindlich und wäre Madame Wu nicht schön oder als Frau weniger gewissenhaft, ihn in allen Dingen zufriedenzustellen, wäre er leicht auf Abwege geraten. Das ist charakteristisch für Madame Wu: sie manipuliert die Menschen, über die sie zu befinden hat, zwingt nie jemanden, das zu tun, was sie will, handelt aber so, dass der Betreffende stets das tut, was sie für ihn bestimmt hat.
So wird Herr Wu das, was Ailien aus ihm macht, ein Produkt ihrer Entscheidungen. Denn im geheimen muss die Frau die Führung haben, weil das Leben von ihr abhängt – einzig und allein von ihr. Ein Mann wird niemals, wenn es darum geht, eine Ehe glücklich zu gestalten, von Nutzen sein. Als sie sich nun mit 40 Jahren von ihrem ehelichen Leben zurückzieht, um endlich frei zu werden, kauft sie ihrem Mann eine junge Frau, wie man ein Pfund Schweinefleisch kauft. Gerade sie hätte doch wissen müssen, dass eine Frau mehr als das ist!
„Sie haben ihren Gatten verachtet, Sie haben eine Schwester gedemütigt, und Sie haben sich selbst als einzigartig und über allen Frauen stehend angesehen.“
Dennoch hat ihr Handeln, stets auf das Wohl des Hauses Wu bedacht, seine Schattenseite. Madame Wu ist klug, intelligent, eine ausgezeichnete Strategin, wirtschaftlich exzellent, ein guter Mensch – aber zu einsam, als dass jemand ihre Seele hätte erreichen können.
Sie wusste nicht, dass sie einsam war, und hätte jemand es ihr gesagt, so würde sie es, erstaunt über solches Missverständnis, abgeleugnet haben.
Etwa zur Mitte des Romans „Die Frauen des Hauses WU“ kommt Bruder André ins Spiel. Er ist der Mann, den sie als Lehrer für ihre Söhne ins Haus holt und den sie bald als ebenbürtig anerkennt. Auch sie will sich dem Lernen widmen und sucht das Gespräch mit ihm und obwohl ein Europäer, groß gewachsen, kräftig durch seine körperliche Arbeit und stark behaart, bemerkt sie (zu) spät, dass sie ihn liebt.
Die Wandlung der Madame Wu wird spirituell und theologisch tiefgründig beschrieben. Durch Bruder André fließt missionarisches Gedankengut in das Buch „Die Frauen des Hauses Wu“ ein. Pearl S. Buck kann auch hier auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen, da ihre Eltern Missionare in China waren. Diese christlich missionarischen Interaktionen sind im letzten Drittel ständig präsent und drängen die gesellschaftlichen Aspekte und das Familienleben etwas in den Hintergrund. Das ist schade.
Fazit
„Die Frauen des Hauses Wu“ ist ein komplexer, sehr umfangreicher Roman über die Frauenrolle in der chinesisch ländlichen Tradition in den 1930ger Jahren, der einen sehr intimen Einblick in das ländliche Leben einer Patrizierfamilie und in das Leben der außergewöhnlichen Madame Wu gewährt.

„Bei uns ist die Ehe nicht eine Verpflichtung gegenüber der Liebe, gegenüber uns selbst, sondern eine Verpflichtung gegenüber unserer Stellung in der Generationsnachfolge.“
Die Autorin
Pearl S. (= Sydenstricker) Buck, geboren 1892 in Hillsboro, West Virginia, wuchs als Tochter eines amerikanischen Missionarsehepaars in China auf. Der Gegensatz zwischen den beiden Kulturen und der Wunsch, ihn zu überbrücken, bestimmen ihr Leben und ihr Werk. Nach einem Literaturstudium in den USA heiratet Pearl 1917 den Agrarwissenschaftler John Buck: “18 Jahre gab ich alles, was ich geben konnte, … und 18 Jahre bekam ich nichts zurück.” Von 1922 bis 1932 Professorin für englische Literatur in Nanking. Die Krankheit der einzigen Tochter und die politischen Unruhen in China veranlassen die Bucks Ende der 1920er Jahre zur Rückkehr in die USA.
1930 veröffentlicht Buck ihren ersten Roman, Ostwind – Westwind, zwei Jahre später Die gute Erde – bis heute ihr bekanntestes Werk, in 30 Sprachen übersetzt. Nach der Scheidung kehrte sie nach Amerika zurück und heiratete später ihren Verleger Richard J. Walsh, mit dem sie in Pennsylvania lebte. Die beiden adoptieren im Laufe der Jahre acht Kinder. Sie starb am 6. März 1973 in Danby, Vermont. Quelle
Für ihren Roman ›Die gute Erde‹ erhielt sie 1932 den Pulitzerpreis und 1938 als bisher einzige US-amerikanische Schriftstellerin den Nobelpreis für Literatur.
Der Übersetzer
Justinian Frisch, Pseudonym Friliko (geb. 19. Juli 1879 in Kritzendorf, Österreich-Ungarn; gest. 2. Juli 1949 in Cambridge), war ein österreichischer Journalist, Übersetzer und Buchgestalter. Der Roman „Die Frauen des Hauses Wu“ zählt zu seinen bekanntesten Übersetzungen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Bibliographische Daten (Sonderausgabe – eine auf den Kreis der Nobelpreisfreunde beschränkte Auflage)
- TITEL: Die Frauen des Hauses Wu
- AUTORIN: Pearl S. Buck
- ÜBERSETZUNG. Justinian Frisch
- GENRE: Roman
- VERLAG: Coron Verlag Zürich
- UMFANG: 503 Seiten
- ERSCHEINUNGSDATUM: 1970 – vergriffen
Weitere Werke von Nobelpreisträgern in meinem Blog finden Sie hier.
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