Autor: Daniel Glattauer
Buchbeschreibung kurz & knapp zusammengefasst
Zwei wohlsituierte Familien aus Wien machen in der Toskana gemeinsam Urlaub. Mit dabei sind deren Kinder und ein somalisches Flüchtlingskind, die Freundin von Sophie Luise und ohne die sie nicht mitgefahren wäre.
Sie war die erste überhaupt, die sich für Aayana zu interessieren begann. Und sie beschloss bald, sie zu ihrer neuen besten Freundin zu küren. Sie würden ein megacooles, ja ein geradezu krass ungleiches Paar abgeben, das nach Fotoserien auf Instagram und vielleicht sogar nach You-Tube-Videos schrie.
Es war recht schwierig die somalische Familie zu überzeugen, dass ihre Tochter einen schönen Sommerurlaub in der Toskana verbringen und bei der Gelegenheit Schwimmunterricht von Sophie Luise bekommen wird. Aayana ist ein schüchternes hübsches Mädchen, das sehr ruhig und zaghaft anmutet. Die spürst du nicht!
Dass Aayana Angst vor dem Wasser hat, schränkt Sophie Luise in ihrem Schwimmunterrichtswahnsinn kaum ein. Sie meint es gut mit ihr und verspricht ihr Freiheit, zumindest im Schwimmbadwasser.
Im Haus wird das Abendessen zubereitet während Sophie-Luises Mutter auf dem Liegestuhl am Pool schläft. Dass Aayana fehlt, fällt nicht auf. Das Mädchen schleicht sich aus dem Haus um im Pool die Freiheit zu probieren. Die Katastrophe bricht herein.
Im Mittelmeer ertrinken jährlich tausende Flüchtlinge, das kümmert mittlerweile kein Schwein mehr. Dann verirrt sich einmal ein Migrantenkind in einen vornehmen Swimmingpool einer bekannten Grün-Politikerin und geht dort unter, und die mediale Welt steht Kopf bei uns. Wir sein schon eine kranke Gesellschaft!
Meine persönlichen Leseeindrücke
Im Südtiroler Sprachgebrauch versteht man unter „die spürt man nicht“ Personen (singular oder plural ist egal), die zwar zugegen sind, aber sich so ruhig und unauffällig verhalten, dass man ihre Anwesenheit nicht bemerkt; sie stören nicht! Und genau in diesem Sinne ist dieser Roman zu verstehen, denn es geht um Menschen, die zwar da sind, aber deren man sich nicht bewusst wird, weil sie unbemerkt bleiben.
Niemand wagt sie anzusprechen. Sie sind unantastbar. Man kann zwar ahnen, war in ihnen vorgeht, aber man fühlt es nicht. Sie sind kein gutes Motiv für Fotografen. Sie lassen keine legendigen Bilder zu.
Darüber hinaus wirft das Buch die große Frage auf, was ein Menschenleben wert sein kann. Diesen Part übernimmt der schrullige, kauzige Rechtsanwalt der Flüchtlingsfamilie, der selbst ein Mensch ist, den man kaum spürt. Mit einem Clou schafft er es, die mediale Aufmerksamkeit auf den Unfall und die darin verwickelten Personen zu lenken– nun werden sie sichtbar. Im Gerichtsverfahren treten menschliche Schicksale in den Vordergrund und großartige Freundschaften und Karriere drohen zu zerbrechen.
In diesem Kontext inszeniert der Autor ein Romanstück, in welchem wirklichkeitsgetreue Protagonisten, spannende Szenen und starke Dialoge für ein sehr aktives Leseerlebnis sorgen. Der Roman ist weniger schöngeistige Literatur, als eine realitätsnahe, berichtähnliche Aufzeichnung eines Unglücks mit seinen schwerwiegenden Folgen für alle Beteiligten. Auffallend, aber passend, sind die Chatverläufe der Sophie-Luise mit Pierre, die der Geschichte einen modernen Empathie Tick verpassen. Es ist das Schicksal des überlebenden Mädchens, das mich in diesem Roman am meisten mitnimmt.
Liebe So-Lu, du musst wissen, ich will nur, was macht Glückliches in dir, schreibt er.
Nur am Rande bemerkt: Ich kann die Marketingstrategie der Buchverlage durchaus verstehen, dass sie das Cover mit dem roten Pickerl versehen, aber für mich ist diese Bestsellerbekundung schon lange kein Qualitätsmerkmal mehr.
Fazit
„Die spürst du nicht“ von Daniel Glattauer ist ein bewegender Roman über den Unfalltod eines Flüchtlingsmädchens, und Menschen, die man nicht spüren will.

Anders ist es bei denen da. Die sind zwar auch unter uns, aber nur scheinbar mitten unter uns. Sie sind unter uns in einem anderen Sinn: Sie sind darunter. Unter unserer Wahrnehmung.
Der Autor
Daniel Glattauer wuchs im Wiener Bezirk Favoriten auf. Er studierte Pädagogik und Kunstgeschichte an der Universität Wien und schloss 1985 sein Studium mit einer Dissertation über „Das Problem des Bösen und seine pädagogische Bedeutung“ ab. Ab 2010 absolvierte er eine Ausbildung zum psychosozialen Berater. Glattauer ist seit 2009 freier Schriftsteller und lebt mit seiner Frau, mit der er einen erwachsenen Sohn hat, in Wien Ottakring, im Waldviertel und in Feuersbrunn am Wagram.
Eine ausführliche Vita des Erfolgsautors finden Sie hier.
Bibliographische Daten (Stand Juli 2023 – Zsolnay Verlag)
- TITEL: Die spürst du nicht
- AUTOR: Daniel Glattauer
- GENRE: Roman
- VERLAG: Zsolnay Verlag
- UMFANG: 304 Seiten
- ERSCHEINUNGSDATUM: 20. März 2023
- ISBN-13: 978 3 5520 7333 3
Weitere Roman von österreichischen Schriftstellern finden Sie hier.
Leave A Reply