Autorin: Ronja von Rönne
Buchbeschreibung kurz & knapp zusammengefasst
Juli, 15jähriger Teenager, springt von einer viel zu niedrigen Grünbrücke auf eine schwach frequentierte Autobahn, auf der gerade Hella übermüdet am Steuer ihres altersschwachen Passat entlangfährt. Damit beginnt der Roman „Ende in Sicht“ und es ist der Anfang einer Reise, die beide nicht wollen aber doch zusammen bestreiten.
Sekunden, Minuten, in denen beide, Juli und Hella, eine zusammengekauert in der Kabine, eine erschöpft davorstehend, sich darüber im Klaren waren, dass sie zu zweit waren.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Ich lese das Buch relativ schnell, denn der Schreibstil lädt dazu ein, und begleite Juli und Hella ein kleines Stück. Der Roman thematisiert ein Lebensgefühl, indem Suizid als einzige Lösung gesehen wird, um die psychische Pein zu beenden. Dabei sind die Beweggründe bei Juli vollkommen anders als bei Hella. Die Autorin beschreibt Juli als einen Teenager, der mit seinem Leben, das an und für sich ganz okay ist, nicht zurechtkommt und schlicht frustriert von der Ignoranz der Erwachsenen ist.
Obwohl es wenig daran auszusetzen gab, und das war das Schlimme, waren Juli irgendwann die Gründe ausgegangen, die deutlich „dafür“ stimmten.
Und dann kommt das große Thema Depression. Es wird nicht medizinisch analysiert, nicht psychologische interpretiert sondern einfach an Julis Verhalten stilisiert. Und ich erfahre, dass Juli die Menschheit hasst.
Warum sich an die Welt klammern, die bevölkert war von Feiglingen, die lieber den Rückwärtsgang einlegten, anstatt auch nur einen Gedanken an andere zu verschwenden. Dieses automatisierte Abwesenheit von Empathie und Zivilcourage, die Weigerung, Mensch zu sein, machte Juli rasend.
Hella wird hingegen nicht so viel Aufmerksamkeit zuteil. Vielleicht will die Autorin damit ausdrücken, dass sie als 69jährige Erwachsene abgeklärter ist und ihr Leben Großteils schon hinter sich hat.
Da vergrub die alternde Frau, das gefallene Popsternchen, das enttäuschte Kind in ihre, die vom Leben schlicht erschöpfte Hella ihr Gesicht in den Händen und begann, hemmungslos zu weinen.
Ich hätte mir bei beiden Romanfiguren ein bisschen mehr Einblick in ihre Gefühlswelt gewünscht. Hier wäre literarisch sicher mehr möglich gewesen und leider kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass etwas oberflächlich gearbeitet wurde.
Die Sprache ist durchaus gefällig, wenn auch eher einfach gehalten. Ein schnörkelloser Erzählton ermöglicht eine nicht schwer oder deprimierend wirkende Geschichte. Viele bemängeln fehlenden Tiefgang mit dem Thema Depression. Ich hingegen finde es schade, dass mich der Erzählton sehr auf Distanz hält und mir als Betrachterin nicht die Möglichkeit gibt, mit der Geschichte und den Romanfiguren Empathie zu empfinden.
Fazit
„Ende in Sicht“ ist ein gutes Romanbeispiel für den jungen, modernen deutschen Schreibstil. Distanziert, klar, schlicht und simpel erzählt die Autorin Ronja von Rönne über ein 15jähriges Mädchen und eine 69jährige Frau, die jede auf ihre Art und Weise ihr Leben beenden möchte. Leider kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass etwas oberflächlich gearbeitet wurde.

Die Autorin
Ronja von Rönne, geboren 1992, ist Schriftstellerin, Journalistin und Moderatorin. 2015 las sie beim Ingeborg-Bachmann-Preis. Seit 2017 moderiert sie auf ›Arte‹ die Sendung ›Streetphilosophy‹ und schreibt für die ›DIE ZEIT‹ und ›ZEIT ONLINE‹. Quelle: dtv
Bibliographische Daten (Stand Februar 2022 – dtv)
- TITEL: Ende in Sicht
- AUTORIN: Ronja von Rönne
- GENRE: Roman
- VERLAG: dtv Verlagsgesellschaft
- ERSCHEINUNGSDATUM: 12. Januar 2022
- UMFANG: 256 Seiten
- ISBN-13: 978 3 4232 8291 8
Wer sich für die belletristische Aufarbeitung der Thematik Lebensgefühl – Suizid interessiert, dem empfehle ich den großartigen Roman von Gianfranco Calligarich „Der letzte Sommer in der Stadt“.
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