Autor: Edgar Selge
Buchbeschreibung kurz & knapp zusammengefasst
In seinem Debütroman „Hast du uns endlich gefunden“ erzählt Edgar Selge von seiner Kindheit. Er führt uns ein in seine Familie, stellt uns seine Eltern und seine 3 Brüder vor und lässt uns an seiner musikalischen Erziehung teilhaben.
Der Roman beginnt mit der Vorbereitung eines Hauskonzertes. Der Vater, ein passionierter und ganz passabler Klavierspieler, ist Direktor der Jugendstrafanstalt in Herford und lädt an die 80 Gefangene zu diesem Konzert ein, die er persönlich unter den 400 Inhaftierten aussucht. Zusammen mit einem Violinisten wird er nachmittags das Konzert vor den Gefangenen und abends vor Freunden geben.
Zu diesem sehr musikalische Vater, einst Oberstaatsanwalt im 3. Reich, hat Edgar ein sehr schwieriges Verhältnis und das gesamte Ausmaß wird erst im Laufe des Romans erkennbar.
Wer so intensive Prügel bekommt wie ich von dir, Papa, der kann auch als Kind ein tieferes Verständnis vom Leben haben.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Ich beginne dieses Buch und staune über die musikalisch, klassische Erziehung, die Edgar und seine Brüder erhalten. Alle Achtung, was der junge Mann da mit auf seinen Weg bekommt. Aber sehr bald bemerke ich die Kehrseite, die Härte und Brutalität, die in dieser Familie herrscht und es erstaunt mich, mit welcher Selbstverständlichkeit der Autor über die eigenen Kindererlebnisse erzählt.
Ich weiß, es ist nicht gut, zu stehlen. Das braucht mir niemand erzählen. Es ist nicht gut, seinem Bruder eine Mark aus dem Geldbeutel zu klauen. Wer das nicht begreift, dem fehlt jedes moralische Grundverständnis. Mir ist jedenfalls vollkommen klar, dass man das nicht machen darf. Mich braucht auch niemand zu verprügeln oder zu ohrfeigen, um mir das beizubringen. Aber ich will diesen Film sehen. Und anders geht es nicht.
Es ist nicht das erste Buch, in dem ich über die Nazivergangenheit von Familienmitgliedern lese, aber dieses Buch bringt das Thema auf eine nächste Stufe. Diese Deutlichkeit ist doch sehr erstaunlich.
Das Vaterland! Davon macht ihr euch gar keine Vorstellung, was das für und bedeutet hat!
Sehr intensiv werden jene Szenen erzählt, die zu den Prügelattacken des Vaters geführt haben. Ich habe in manch einer Rezension von jungen Bloggern von einer „Triggerwarnung“ gelesen. Das zeigt, wie sich die Gesellschaft in den letzten 80 Jahren verändert hat. Die junge Generation hat tatsächlich keine Ahnung, wie das früher war. Was die Prügelei als Erziehungsmethode betrifft, ist das ein enormer Fortschritt
Fazit
„Hast du uns endlich gefunden“ von Edgar Selge ist ein sehr persönliches Buch über die Kindheit des Autors. Sein Erzählton ist atemlos, körperlich, risikoreich, voller Witz und Musikalität (Zitat auf der Rückseite des Buchumschlags).

Unser Vater, unter dem ich so sehr gelitten habe, hat da einen ganz anderen, weiten Raum in mir, in dem er immer wieder in Wellen aus Liebe oder in Strudel von Wut auftaucht.
Der Autor
Edgar Selge gehört zu den bedeutendsten Charakterdarstellern Deutschlands. 1948 geboren, wuchs er im ostwestfälischen Herford als Sohn eines Gefängnisdirektors auf. Seine Schauspielausbildung schloss er 1975 an der Otto Falckenberg Schule in München ab. Zuvor studierte er Philosophie und Germanistik in München und Dublin sowie klassisches Klavier in Wien. Für seine Arbeit wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Edgar Selge lebt mit der Schauspielerin Franziska Walser zusammen. Die beiden haben zwei Kinder. «Hast du uns endlich gefunden» ist sein literarisches Debüt. Quelle Rowohlt Verlag
Bibliographische Daten (Stand März 2022 – Rowohlt Verlag)
- TITEL: Hast du uns endlich gefunden
- AUTOR: Edgar Selge
- GENRE: Roman
- VERLAG: Rowohlt Verlag
- ERSCHEINUNGSDATUM: 19. Oktober 2021
- UMFANG: 304 Seiten
- ISBN-13: 978 3 498 00122 3
Das Buch wurde in der Literaturrunde der Bibliothek Auer vorgestellt.
Im Rahmen des Bayerischen Buchpreises 2022 wurde erneut der Bayern 2-Publikumspreis vergeben. Abermals waren Leserinnen und Leser aufgerufen, über ihr Lieblingsbuch des Jahres abzustimmen. Hast du uns endlich gefunden von Edgar Selge ist der diesjährige Preisträger.
Zum Thema häusliche psychische Gewalt finden Sie in meinem Blog weitere Romane wie z. B. Mitgift von Henning Ahrens und „Verbrenn all meine Briefe“ von Alex Schulman.
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