Autor: Paolo di Paolo
Übersetzung aus dem Italienischen: Christiane Burkhardt
Buchbeschreibung kurz & knapp zusammengefasst
„Und doch so fern“ von Paolo di Paolo spielt im Rom der 1980ger Jahre und erzählt die Geschichte von drei Frauen in den letzten Monaten der Schwangerschaft. So unterschiedlich sie sind, so haben sie dennoch eines gemeinsam: sie sind ungewollt schwanger geworden. Im Roman geht es aber nicht nur um diese 3 Frauen, sondern auch um 3 Männer und ihre Vaterrolle.
Ein werdender Vater ist von außen nicht zu erkennen. Dass er in freudiger Erwartung ist, bleibt vollständig verborgen.
Der Roman beginnt mit der Geschichte von Luciana, die ein Kind von einem Iren erwartet, jedenfalls könnte das hinkommen. Sie hat sich in seiner Leidenschaft verloren, dieser Leichtigkeit, die sie mit Ettore nie gespürt hatte. Doch der Ire meldet sich nicht mehr und mit Ettore, der gerne die Vaterrolle übernehmen möchte, will sie Schluss machen.
Wenn es ein Mädchen wird, kommt es schon ohne mich klar. Wenn es ein Junge wird, und ich es nicht schaffe, ihm mein Leben zu widmen, wird er keinen Frieden finden und mit viel zu vielen offenen Fragen sterben.
In der 2. Geschichte im Roman „Und doch so fern“ geht es um Valentina, eine 17jährige Schülerin aus gutbürgerlichem Haus. Sie erwartet ein Kind von einem Mitschüler. Für ihren Vater kommt der Nachwuchs nicht in Frage genauso wenig wie ein Schwangerschaftsabbruch. Im katholischen Rom soll das Kind nach der Geburt in die Obhut von Nonnen gegeben werden. Die Reaktion darauf ist eine Flucht aber nicht zu Ermes, dem hat sie es nicht mehr erlaubt, sich ihr zu nähern und dem sie somit die Chance auf das Kind und ein Vater sein nimmt.
Bevor man eine Flucht in die Tat umsetzt, denkt man gründlich darüber nach.
Die 3. und letzten Geschichte erzählt von Cecilia. Sie lebt ein selbstständiges, eigenwilliges Leben. Der Imbissmitarbeiter Gaetano kommt als Vater in Frage und würde es auch gerne sein, doch Cecilia möchte sich ihre Freiheit bewahren.
Er hat seine (Familie) verloren – und leidet darunter.
Es folgt ein 4. Teil mit einer überraschenden und gänzlich unerwarteten Wende, und lässt die drei vorhergehenden Geschichten in ein anderes Licht rücken.
Meine persönlichen Leseeindrücke
„Und doch so fern“ ist ein ungewöhnlicher Roman. Bereits mit der Einleitung wird mir klar: hier geht es um das Existentielle, das Entstehen eines neuen Lebens. Ich könnte soviel über meine Leseeindrücke schreiben und möchte meine Leseeindrücke dennoch kurz halten.
Jede Geschichte berührt auf ihre besondere Art. So wie Luciana denken und fühlen viele junge Frauen und auch ich habe mich in einigen Sätzen in meiner unerwarteten Schwangerschaft wiedererkannt. Wie Die Paolo eine zärtlich filigrane junge Frau zeichnet, die sich nach der Leichtigkeit der Liebe zu dem Iren sehnt und die bodenständige Zuneigung Ettores, ihres italienischen Freundes, ablehnt, hat mich berührt.
Bei Valentina überwiegt die Verzweiflung, die sie zur Flucht aus dem Elternhaus treibt, ohne überhaupt zu wissen, wohin sie gehen kann. Dazu kommt die Geschichte von Ermes, dem Kindsvater, und ich empfinde tiefes Mitgefühl mit diesem jungen Mann, der von Geschehnissen überwältigt doch eigentlich nichts anderes möchte als Valentina und ihr Kind.
Cecilia ist taff. Sie meistert ihr Leben allein und obwohl die Schwangerschaft sie unvorbereitet trifft, entscheidet sie alleine für sich und ihr Kind.
Di Paolo schreibt in jeder Geschichte sehr treffende Sätze über die Situationen, die das Leben betreffen. Ich lerne diese drei Frauen kennen, wenn sich ihre Schwangerschaft fast dem Ende neigt. Ich lese über ihre innere Zerrissenheit, ihre Verletzlichkeit und die Sehnsucht nach einem Happy End. Diese Stimmungen werden sehr gut eingefangen und diese kurze Zeit, in der sich ihr komplettes Leben für immer ändern wird, ist gut beschrieben und hervorragend übersetzt. Di Paolo fängt zudem die kulturelle Stimmung der 80ger Jahre im katholischen Rom sehr gut ein. So macht italienische Literatur Spaß!!
Das Buch „Und doch so nah“ überrascht am Ende und ja, es hat auch mich etwas erstaunt. Was mir am besten gefallen hat, war der abschließende Satz, sein persönliches Resümee.
Fazit
„Und doch so fern“ ist ein ungewöhnlicher Roman und erzählt eigenwillige Geschichten. Es gehört schon eine gehörige Portion Phantasie dazu, drei so unterschiedliche Geschichten über werdende Mütter mit den jeweils dazugehörenden werdenden Vätern auszudenken. Dass er sich dann aus jeder Geschichte das Passende zusammenbastelt, macht den besonderen Reiz dieses Romans aus. Wenn auch die 3 Schicksale erdacht sind, so spielen sie dennoch in einem reellen Italien der 80ger Jahre und diese Lebensstimmung bringt das Buch phantastisch rüber.
Ich habe ein Faible für italienische Gegenwartsliteratur und wenn junge italienische Schriftsteller über ihre Gefühle schreiben, kommt wirklich ein interessantes Buch heraus.

Die Zukunft beginnt jetzt tatsächlich, und es ist die Beste, die ich nur haben kann.
Der Autor
Paolo di Paolo wurde 1983 in Rom geboren. Er studierte Literatur an der Universität Sapienza in Rom und promovierte in italienischer Literaturgeschichte und Linguistik an der Universität Roma Tre. Im Jahr 2003 war er unter den fünf nationalen Finalisten für den Campiello-Giovani-Preis. Er schreibt u.a. Theaterstücke und ist auch als Kinderbuchautor bekannt. Etliche seiner Werke wurden bereits in verschiedene europäische Sprachen übersetzt. Nebenbei schreibt für die römische Tageszeitung La Repubblica, die Wochenzeitschrift L’Espresso und Vanity Fair. Zudem moderiert er für RAI Radio 3 die Sendung La lingua batte. Quelle: Wikipedia Italia
Bibliographische Daten (Stand Juni 2022 – Nonsolo Verlag)
- TITEL: Und doch so fern
- AUTOR: Paolo di Paolo
- ÜBERSETZUNG: Christiane Burkhardt
- GENRE: Roman
- VERLAG: Nonsolo Verlag
- UMFANG: 232 Seiten
- ERSCHEINUNGSDATUM: 03. März 2022
- IBSN-13: 978 3 9477 6708 3
Ein weiteres hervorragendes Buch über das Thema Mutter- und Vaterrolle ist der Roman „Der Name seiner Mutter“ des jungen italienischen Schriftstellers Roberto Camurri.
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